„Gesichter“ - Eine Ausstellung zur NS-Zwangsarbeit in Hameln-Pyrmont
Schwerpunkt der Ausstellung sind die Schicksale der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion, die während des Zweiten Weltkrieges im Landkreis Hameln-Pyrmont arbeiten mussten. Vom NS-Regime nach Deutschland verschleppt und mit Gewalt zum Arbeitseinsatz gezwungen, ersetzten sie die Männer, die als Soldaten gegen ihr eigenes Vaterland kämpften. Spät, allzu spät wird hier versucht, ihre Geschichte zu erzählen.
Die ausländischen Arbeitskräfte aus dem Osten gehörten wie selbstverständlich zum Kriegsalltag des NS-Staates, besonders auf dem Lande. Wohl deswegen entwickelte sich das Bewusstsein für das große Unrecht, das diesen Menschen angetan wurde, nur in einem sehr geringen Ausmaß. Bis heute haben viele Menschen in Deutschland keine Vorstellung vom Umfang und dem Charakter der Zwangsarbeit in der NS-Zeit.
Das Leid, das die mehrheitlich jugendlichen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erfahren haben, ist nur schwer zu beschreiben. Jede und jeder Einzelne war in einer anderen Situation und hat diese anders erlebt, sei es in den Betrieben der Rüstungsindustrie, auf den großen Gütern, den Höfen, in Handwerksbetrieben und Privathaushalten.
Die Verhältnisse änderten sich im Laufe des Krieges und konnten am Kriegsende lebensgefährlich sein. Es gab gewiss auch glückliche Momente, die diese Menschen im Miteinander und auch von Seiten einzelner Deutscher erfuhren.
Die Quellenbasis der Ausstellung
Für den Landkreis Hameln-Pyrmont und für die Stadt Hameln haben Mario Keller-Holte und Bernhard Gelderblom in den Jahren 2002-2004 den großen Bestand an Akten gesichtet, der sich in den heimischen Archiven erhalten hat. Die Akten sprechen die kalte Sprache der Behörden. Sie enthalten lange Listen der nach Hameln deportierten Arbeitskräfte, aber auch zahlreiche Polizeiakten, die Vergehen und Bestrafungen verzeichnen.
Ein Briefwechsel, den der Kurator der Ausstellung, Bernhard Gelderblom, 2001 bis 2004 mit über 120 ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in Polen und der Ukraine führen konnte, zeigt – aus einem Abstand von 60 Jahren – die Sichtweise der Betroffenen von ihrer Zeit in Hameln-Pyrmont. Er reflektiert auch die lebenslangen Folgen der Zwangsarbeit.
In den Jahren 2005 und 2006 führten Interviewreisen Bernhard Gelderblom sowohl nach Polen wie in die Ukraine. Ihnen folgten Einladungen von Betroffenen aus Polen und der Ukraine nach Hameln.
Die Briefe und die Interviews bilden die eigentliche Basis der Ausstellung.
Die Themen der Ausstellung
Es handelt sich im Folgenden um PDF-Dateien.
Aufsteller 1
Die Ausstellung „Gesichter“ – NS-Zwangsarbeit in Hameln-Pyrmont – Einführung
Aufsteller 2
Das Verbrechen Zwangsarbeit – Herkunftsländer – Rekrutierung – Diskriminierung
Aufsteller 3
Die Fotografien der Deportierten
Aufsteller 4
Arbeiten in der Landwirtschaft
Aufsteller 5
Arbeiten in der Industrie 1: Das Waggon- und Rüstungswerk Kaminski in Hameln
Aufsteller 6
Arbeiten in der Industrie 2: Das Rüstungswerk Domag in Hameln
Aufsteller 7
Aufsteller 8
Der Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen im Steinbruch in Salzhemmendorf
Aufsteller 9
Nach der Befreiung – Leben im DP-Camp – Rückkehr in die Heimat – Auswirkungen auf das spätere Leben
Aufsteller 10
Nach über 60 Jahren – Einladungen nach Hameln
Aufsteller 11
Vergessen und Erinnern – Friedhöfe und Gräber – ein Erinnerungsort für Hameln
Erster Standort der Ausstellung war das Hamelner Münster St. Bonifatius vom 25. Oktober bis zum 29. November 2024
Das Faltblatt zur Ausstellung in Hameln
Überblicke über die Ausstellung in Hameln
Der Erinnerungsort Zwangsarbeit in Hameln-Pyrmont
Anders als für die ermordeten Hamelner Jüdinnen und Juden sowie die zahlreichen Toten der NS-Verfolgungsstätte im Zuchthaus Hameln gibt es für die Erinnerung an das massenhafte Leid der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen und ihre zahlreichen Toten bisher keinen öffentlichen Ort.
Der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen „Erinnerungsort Zwangsarbeit“ zu schaffen.
Der Entwurf sieht eine zentrale Informationstafel umgeben von sieben schmalen, niedrigeren Stelen vor. Die Stelen zeigen auf beiden Seiten „Gesichter“ und Kurzbiografien, während die Informationstafel Texte, Fotos und Pläne präsentiert.
Der Erinnerungsort ist begehbar und barrierefrei gestaltet. Standort ist eine Grünfläche am Weserufer nahe der ehemaligen Eisenbahnbrücke. Der Ort hat einen räumlichen Bezug zum Industriegebiet Süd, in dem mit den Firmen Kaminski und Domag (heute Ammann) die wichtigsten industriellen Nutznießer der NS-Zwangsarbeit angesiedelt waren.
Die Lage an der Weserpromenade und am Weserradweg sorgen für zahlreiche Besucher.
Die im Hamelner Rat vertretenen Fraktionen und der Oberbürgermeister haben dem Projekt zugestimmt. Der Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont hat seine Unterstützung signalisiert.
Der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte hat die bauliche Umsetzung in die Hände von Fachfirmen gelegt. Der Kostenvoranschlag durch einen Landschaftsarchitekten beläuft sich nach gegenwärtigen Preisen auf knapp 25.000 Euro brutto.
Das Projekt soll zu einem möglichst großen Teil aus Spenden der Bevölkerung finanziert werden. Der Verein hat außerdem Anträge auf Förderung bei der Stiftung der Sparkasse Weserbergland und sowie bei überregionalen Stiftungen gestellt.
Die Einweihung des Erinnerungsortes ist für das Frühjahr 2025 geplant. Der neue Erinnerungsort wird dann zugleich ein Beitrag zum Gedenken an „80 Jahre Kriegsende“ sein. Der 9. April 1945 war für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Hameln-Pyrmont der Tag ihrer Befreiung.
Nach der Fertigstellung geht der Erinnerungsort in Gestalt einer Schenkung in die Obhut der Stadt über. Der Verein kümmert sich um einen Pflegepaten, der Platz und Tafeln sauber hält.
Entwurf: Bernhard Gelderblom
Graphische Umsetzung: Jörg Mitzkat (Holzminden) und Andreas Bergmann (Hameln) 2024