Historische Orte in Hameln
Der historische Hintergrund
Die Gräber deutscher Soldaten
Erarbeitet von Michael Seutemann, David Niemeyer,
Hendrik Greinert, Björn Jungmann und Dominic Matthies
Es lesen anlässlich der Einweihung der Tafel die Mitglieder
der Arbeitsgruppe Michael Seutemann, David Niemeyer,
Hendrik Greinert, Björn Jungmann und Dominic Matthies
(von links). Foto: Maike Juniel
Inhaltsverzeichnis
Die letzten Kriegstage in und um Hameln
Hameln zur Zeit des NS-Regimes
Ende des Krieges in Hameln
Gefallene bei Kampfhandlungen in Hameln und Umland
Die drei Toten vom Klüt
Die letzten Kriegstage in und um Hameln
Hameln
Am 5. April 1945 standen die von Groß Berkel kommen Amerikaner vor Hameln. Die Verteidiger reagierten, indem sie die Eisenbahnbrücke und die Straßenbrücke als Übergang über die Weser sprengten. So war es der 2. US-Panzer-Division zunächst nur möglich, das Klütviertel, den westlich der Weser gelegenen Teil Hamelns, zu besetzen. In den beiden folgenden Tagen war die Stadt einem starken Artilleriebeschuss ausgesetzt. Am 7. April besetzen die von Süden vorstoßenden US-Truppen auch das übrige Hameln.
Ohr
Im Rahmen des Unternehmens "ZEBRA" wurde in Ohr am 4. April 1945 von amerikanischen Pionieren eine Pontonbrücke über die Weser gebaut, so dass Teile der 2. US-Panzer-Division auf das östliche Weserufer übersetzen konnte.
Die Nutzlosigkeit der Sprengung der Hamelner Weserbrücken
Vom militärisch-strategischen Standpunkt aus war die Sprengung der Hamelner Weserbrücken unnötig, da das eigentliche Ziel, nämlich die Erhaltung der Weser als Verteidigungslinie, ohnehin verfehlt worden war. Die Sprengung hat die Einnahme der Stadt um zwei Tage hinausgezögert. Für die Zivilbevölkerung war die Weigerung der Übergabe und die zweitägige Beschießung der Stadt ein Desaster. Die Verteidigerwaren schlecht ausgebildet und ausgerüstet und den amerikanischen Truppen dazu zahlenmäßig weit unterlegen.
Hameln zur Zeit des NS-Regimes
Die NSDAP in Hameln war für ihr raues Vorgehen bekannt und gefürchtet. Kennzeichnend war ihr heftiges Vorgehen gegen Juden und gegen die Arbeiterbewegung. KPD sowie Gewerkschaften und SPD wurden nacheinander durch die Nationalsozialisten zerschlagen.
Gleichzeitig wurde die neue von der NSDAP propagierte "Volksgemeinschaft" im Rahmen des Deutschen Erntedankfestes auf dem Bückeberg bei Hameln gefeiert. Die Stadt sah in dieser Massenveranstaltung eine große Chance für ihre eigene Entwicklung.
Lange blieb die Realität des Krieges von der Stadt Hameln fern. Nach dem ersten Luftangriff vom 18. Juni 1941 blieb die Stadt lange von weiteren Angriffen verschont. Erst die schweren Angriffe vom 7. Juli 1944 und vom 14. März 1945, welche alle dem Hauptbahnhof in Hameln galten, konfrontierten die Stadt mit der schrecklichen Realität des Krieges.
In den letzten Kriegstagen war die Bedrohung durch Luftangriffe permanent. Von insgesamt acht Luftangriffen wurde die Stadt in den letzten 13 Kriegstagen heimgesucht.
23.3. | Tieffliegerangriff | |
25.3. |
Angriff auf den Güterbahnhof, das Eisenwerk Concordia und die Wollwarenfabrik Marienthal | |
28.3. |
Angriff auf Bahnhof und Deisterstraße. Das Gesundheitsamt in der Falkestraße wird völlig zerstört. | |
29.3. |
Tieffliegerangriff | |
30.3. |
Tieffliegerangriff | |
2.4. |
Tieffliegerangriff | |
3.4. |
Angriff auf Bahnhofsviertel sowie auf den südlichen Stadtrand mit Körting-Werk und Wesertal. | |
4.4. |
letzter Angriff |
Insgesamt hatte die Stadt Hameln ca. 300 Luftkriegsopfer zu beklagen.
Ende des Krieges in Hameln
Die Versorgungslage in Hameln wurde zu Beginn des Jahres 1945 immer schlechter. Es fehlten viele Lebensmittel ebenso wie Kohle. Die Gaszufuhr wurde vom 10. Februar an auf zwei bis drei Stunden pro Tag beschränkt.
In den letzten Kriegstagen gab es immer wieder Bombenalarme. Durch Bomben wurden vor allem das Bahnhofs- und das Industriegebiet in Mitleidenschaft gezogen.
In der Garnisonsstadt Hameln, deren Verteidigungsabschnitt längs der Weser von Fischbeck bis Bodenwerder reichte, waren zwei Infanterie-Bataillone und ein Aufbaubataillon stationiert. Insgesamt ergab sich daraus eine Truppenstärke von 4000 Mann. Allerdings war ein Großteil der Truppen am 20. März nach Osten abmarschiert, so dass nur noch etwa 500 Mann zurückblieben.
Am 3. April kam Gauleiter Lauterbacher aus Hannover zu einer Stabsbesprechung nach Hameln. Er forderte die "Verteidigung bis zum letzten Blutstropfen" und wollte Hameln zum "Brennpunkt der Verteidigung an der Weser" machen. Zudem sicherte er den Verantwortlichen weitere Truppen sowie eine Mobilmachung des Volkssturms zu.
Bereits am Abend des 4. April erreichten die Amerikaner Groß-Berkel und erfuhren dort von Zivilisten, dass Hameln von etwa 500 bis 800 Mann verteidigt wird und dass die Weserbrücken zur Sprengung vorbereitet waren.
In Hameln wechselte derweil das Kommando über die Garnison auf einen Generalmajor über. Dieser befahl die Sprengung der Weserbrücken, um den Vorstoß der Alliierten nach Osten zu stoppen. Am 5. April um 3.45 Uhr begann der Einmarsch einer gepanzerten amerikanischen Kolonne über die Pyrmonter Straße. Es wurde zwar Panzeralarm gegeben, doch kam es zu keinem Widerstand. Als nun ein Krad-Melder am Brückenkopf auf eine Mine fuhr, wurde die Sprengung der Weserbrücke am Münster ausgelöst. Kurz darauf folgten die Sprengungen der Eisenbahnbrücke am Hafen, sowie die der Hamelbrücke im Industriegebiet.
Im Laufe des Vormittags befand sich das gesamte Westufer Hamelns in amerikanischer Hand. Der Bau einer Pontonbrücke bei der Hamelmündung konnte durch Granatenbeschuss verhindert werden, doch hatten die Amerikaner schon am Morgen mit dem Bau einer anderen Pontonbrücke bei Ohr begonnen.
Am Morgen des 5. April begann das Unternehmen "ZEBRA". Das 17. US-Pionier-Bataillon baute an einem Weserknick nahe der Ortschaft Ohr am Gutshaus eine Pontonbrücke. Nur einige deutsche MG-Schüsse stören das Unternehmen. Um 14.30 Uhr setzten LKWs und Panzer über. Nun forderten die Amerikaner die sofortige Übergabe der Stadt; dies wurde aber abgelehnt, was militärisch völlig sinnlos war. So wurde der Beschuss, unter dem die Altstadt schon den ganzen Tag litt, fortgesetzt.
Man teilte die Kräfte in zwei Gruppen auf. Die Kampfgruppe CC"A" blieb auf dem westlichen Westufer und besetzte schon am Vormittag den Westteil Hameln. Die Kampfgruppe CC"B" war die Gruppe, die auf das östliche Ufer wechselte.
Der Hamelner Volkssturm befand sich in Auflösung, aber 100-200 deutsche Fahnenjunker aus Sennelager, die sich bei Tündern sammeln sollten, leisteten Widerstand, so dass es den Amerikanern am 6. April nicht gelang, den Süden und Osten Hamelns einzunehmen.
Nachdem am 5. April die Forderung nach der sofortigen Übergabe der Stadt abgelehnt worden war, befand sich die Stadt den ganzen 5. und 6. April unter Artilleriebeschuss. Es entstanden Brände, die von der Feuerwehr nicht gelöscht werden konnten, weil durch die Sprengung der Brücken die Wasser und Stromversorgung unterbrochen war.
Schließlich gelang es dem 1. und 3. Bataillon des 117. Regiments der 30. Infanterie-Division der 9. US-Army und Teilen der 2. Panzerdivision am Sonnabend, dem 7. April 1945, gegen 6.30 Uhr Hameln zu besetzen.
Am 7. April rückten die Amerikaner gegen 6.30 Uhr von Süden mit Panzern über die Ohsener Straße ins Stadtzentrum vor. Es fanden in Hameln –im Gegensatz zu Wehrmachtsberichten – keine Straßenkämpfe statt. Man sah offenbar ein, dass Widerstand sinnlos war.
Oberbürgermeister Schmidt, Bürgermeister Busching, die gesamte Polizei sowie als Befehlshaber Luftschutzoffizier Hauptmann Preuß setzten sich an diesem Tag über den Süntel nach Osten zu Fuß ab. Eine offizielle Übergabe der Stadt hat es nicht gegeben.
Bereits gegen Mittag des 7. Aprils traf der britische Major Lynden-Bell ein, um die Zivilverwaltung zu übernehmen. Für die militärische Verwaltung war der erste Kommandant Hamelns Major Ackermann von der US-Army zuständig.
Mitte April wurden die Amerikaner von Teilen der britischen Rheinarmee abgelöst, um diese in der Verwaltung zu entlasten. Dass die Amerikaner überfordert waren, zeigte sich dadurch, dass bei der Auswahl der Bürgermeister sowie der Hilfspolizisten nicht darauf geachtet worden war, ob diese politisch unbelastet waren. So kam es dazu, dass die meisten dieser Stellen durch die Briten neu vergeben wurden.
Was die Bürger zu dieser Zeit zu beachten hatten, wie z.B. Sperrzeiten, wurde durch Anschläge der Militärregierung bekannt gemacht. Den Deutschen war es verboten, eigene Zeitungen zu veröffentlichen. Die einzige "Zeitung" bestand lange nur aus einigen Blättern, die Verhaltensanweisungen enthielten, und wurde von der Militärregierung herausgegeben.
Gefallene bei Kampfhandlungen in Hameln und Umland
Die folgende Übersicht nennt einen Teil der Kampfhandlungen bei der Verteidigung der "Weserlinie", bei denen deutsche Soldaten ums Leben kamen.
Hastenbeck
Hermann Steins wurde durch eine Granate tödlich verletzt.
Zwischen Hastenbeck und Afferde
Ein unbekannter Obergefreiter und Gustav Koch wurden durch eine Racheaktion der Amerikaner getötet, nachdem sie zwei Panzer zerstört und einen beschädigt hatten. Der Obergefreite wurde hingerichtet, nachdem er sein eigenes Grab geschaufelt hatte. Der junge Gustav Koch wurde auf die Panzerketten gespannt und zermalmt.
Klütturm
Oskar Weihe, Anton Gradwohl und Otto Drebenstedt starben hier im offenen Gefecht.
Extertal
Bobe, Popp, Schoffs, Schustek und Schuster starben bei einem Bombenangriff durch Tiefflieger.
Zwischen Salzhemmendorf und Ahrenfeld
Ein deutscher Soldat starb durch einen Tieffliegerangriff.
Lauenstein
Fritz Fitzner wurde durch eine Sprengbombe tödlich verletzt.
Coppenbrügge
August Bogelski starb durch einen amerikanischen Angriff.
Marienau
Alois Obermeier fiel in diesem Bezirk unter unbekannten Umständen.
Hasperde
Der Schütze Dörner wurde im offenen Gefecht tödlich getroffen.
Flegessen-Hasperde
Der Flaghelfer Hans Olheide starb durch einen Fliegerangriff.
Groß Berkel
Der Soldat Friedrich Giesse starb an seinen Schussverletzungen.
Grupenhagen
Phillip Egly wurde durch eine MG-Salve niedergestreckt.
Welsede
Theo Schlimbach erlag seinen Verletzungen, nachdem er einen Bauchschuss bekommen hatte.
Bensen
Ein deutscher Soldat starb, nachdem er und ein Amerikaner gleichzeitig um eine Ecke sahen und sich erschossen.
Zwischen Höfingen und Fischbeck
Zwei deutsche Landser starben durch eine MG-Salve.
Steinbergen
Ein Offizier starb durch einen Artillerietreffer.
Schaumburg
Ein deutscher Leutnant starb durch Panzerbeschuss.
Paschenburg
Acht deutsche Soldaten starben im Gefecht mit den Amerikanern.
Hameln
Zahlreiche deutsche Soldaten starben durch den Beschuss und durch Bomben. Insgesamt forderte der Beschuss 104 Menschenleben.
Die drei Toten vom Klüt
Am 5. April 1945 starben während der letzten Kampfhandlungen deutscher und amerikanischer Soldaten in Hameln und Umgebung drei deutsche Soldaten in einem Gefecht auf dem Klütberg oberhalb von Hameln. Die Verstorbenen Oskar Weihe (Unteroffizier) aus Danzig, Anton Gradwohl (Gefreiter) aus Moggau (Österreich) und Otto Drebenstedt (Unteroffizier) aus Gardelegen (nördlich von Magdeburg) kamen aus verschiedenen Teilen des damaligen Reiches und ließen weit entfernt von ihren Heimatorten ihr Leben.
Die drei Männer starben, als sie mit einer kleinen Kampftruppe unter Befehl eines Offiziers auf einen amerikanischen Stoßtrupp stießen, welcher sich ein Bild über die Gefechtslage machte.
Von dem darauf folgenden Gefecht ist bekannt, dass in seinem Verlauf ein deutscher Soldat verwundet wurde, zwei weitere deutsche Soldaten fliehen konnten, bevor die Soldaten Weihe, Gradwohl und Drebenstedt fielen. Auch amerikanische Soldaten kamen bei der Kampfhandlung ums Leben.
Etwa drei Tage nach dem Gefecht wurden die drei Toten von der Tochter des Gastwirts vom Finkenborn gefunden und daraufhin von ihrem Vater und weiteren, namentlich nicht bekannten Helfern an der Stelle ihres Todes am Füße des Klütturms begraben.
Die Grabstelle beschäftigte die Hamelner Bevölkerung nachhaltig. 1951 wurde in der DEWEZET ein Gedicht veröffentlicht, das eigens für das Gedenken an die drei Toten vom Klüt von Peter Bruno Richter geschrieben worden war. Daraus Auszüge:
Wie war es doch rasch? –
Verrat – oder Eid? –
Ein sterbendes Land und kein Mensch weit und breit, der uns hätte sagen können: Tut so! –
Drum waren wir fast so etwas wie froh
über peitschende Schüsse – und sickerndes Blut.
Ein Wähnen und Trügen war aus –
das war gut. –
Hands up!!! Schrie man her. Wir hoben sie nicht.
...
wir sahen, versinkend, nur eins noch –
die Pflicht! –
... Doch schmäht nicht das Schönste,
die Treue.
Peter Bruno Richter leitete als Oberspielleiter die 1945 gegründete "Heimatbühne", ein eigenständiges Hamelner Theater. Es waren die alten furchtbar missbrauchten Vokabeln von deutscher Soldatentreue und deutschem Opfersinn, mit denen er den Irrsinn des letzten Krieges rechtfertigte.
Im Oktober 1955 kam es zur Umbettung der Gefallenen zur Kriegsgräberstätte des Friedhofs Wehl durch den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Die Gründe für die Umbettung waren, dass so die Toten mit ihren Kameraden Seite an Seite liegen und angemessen gewürdigt werden konnten, da sich bereits in der Bevölkerung Gleichgültigkeit über die zahlreichen verstreuten Einzelgräber aus der Zeit des Kriegsendes breit machte.
Jedoch gab es auch kritische Stimmen zur Umbettung, die vor allem durch Leserbriefe in der DEWEZET (22.10.1955) ausgedrückt wurden. Kritisiert wurde besonders die Ruhestörung der Toten, da diese bereits über zehn Jahre am Klütturm angemessen geruht hätten.
Dennoch kam es zur Umbettung, bei der die Toten in der gleichen Anordnung wie auf dem Klüt bestattet wurden. Nach zehn Jahren fanden sich nur noch Lederzeug, Knöpfe und Unteroffizierslitzen von der Kleidung der Gefallenen. Obwohl nur einer der Toten eine Erkennungsmarke hatte, konnten die Toten aufgrund von Merkmalen wie Gold- und Silberplomben identifiziert werden.
Die drei Toten wurden direkt nach der Umbettung auf den Friedhof Wehl am Volkstrauertag 1955 geehrt und noch einmal am Volkstrauertag 1956.