Zwangsarbeit in Hameln und im Kreis Hameln-Pyrmont

 

"Gesichter" - Ausländische Zwangsarbeit in und um Hameln 1939-1945

Ausstellung im Hamelner Münster
vom 9. September bis 13. November 2005

 

Kap. 5

"Mich hat eine Frau namens Emma K. genommen." –
Die "Arbeitsbörse" in Hameln

 

Unternehmer und Behörden, Handwerker, Kaufleute und Bauern, schließlich auch die Privathaushalte meldeten ihren Arbeitskräftebedarf beim Arbeitsamt. Für Unternehmer und Handwerker war es vorteilhaft, dabei eine Bestätigung des zuständigen Rüstungskommandos beizufügen, dass ihre Fertigung kriegswichtig sei. Das Arbeitsamt stufte die Dringlichkeit ein und teilte entsprechend Arbeitskräfte zu. Im Prinzip sollte dabei auf etwa vorhandene berufliche Fähigkeiten geachtet werden. Auch sollten Familien nicht auseinander gerissen werden. In der Praxis wurde darauf jedoch wenig Rücksicht genommen. Häufig wurden Familien getrennt und ihre Mitglieder in ganz entfernten Orten eingesetzt.

Das Arbeitsamt sorgte für die Ausstellung des "Arbeitsbuches für Ausländer". Dafür mussten die Ankömmlinge fotografiert werden.

In Hameln holten sich die Unternehmer, die größere Kontingente zugewiesen bekommen hatten, ihre Zwangsarbeiter nach entsprechender Benachrichtigung am Bahnhof ab.

Für kleinere Arbeitgeber existierte die Institution der "Arbeitsbörse". Bauern, Haushaltsvorstände, Kleinunternehmer und Handwerker kamen zum Bahnhof oder zum Arbeitsamt in der Deisterstraße 18 (damals Adolf-Hitler-Straße) und suchten sich "ihre" Arbeitskraft aus. Diese Situation ist von den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern als besonders erniedrigend erlebt worden und wird immer wieder in den Briefen geschildert.

Wen das Arbeitsamt nicht sofort vermitteln konnte, der wurde übergangsweise in einer Lagerhalle oder Scheune untergebracht. Sie muss nach den Schilderungen in den Briefen im Bereich des Weserhafens gelegen haben.

 
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Frau Ljudmila I., geboren 1926 im Dorf Michailjutschka, Ukraine.

Und so kamen wir in Hameln an. Man jagte uns aus den Waggons und scheuchte uns in einen großen Lagerraum. Dorthin kamen mehrere Herren und wählten diejenigen aus, die ihnen gefielen. Mich nahm der Bauer Wilhelm W. mit nach Afferde in sein Haus.

 
Frau Merem I., geb. am 21. Mai 1929, Simferopol/Krim, Ukraine.

Wir kamen in die Stadt Hameln. In der Stadt wurden wir in ein Gebäude gebracht. Dorthin kamen Landwirte und nahmen uns zur Arbeit auf ihren Hof. Mich hat eine Frau namens Emma K. genommen. Sie hat mich in einem Kastenwagen mit eingespanntem Pferd in das Dorf Tündern gebracht.

 

Herr Mikola Nikolajewitsch P., geb. am 17. Mai 1927 im Dorf Bude-Orlova, Gorodischtschengkier Bezirk, Kiewer Gebiet, Ukraine.

Wir kamen in die Stadt Hameln. Alle wurden eingeteilt – in die Fabriken, zu den Wirten. Ich blieb allein, da ich klein war. Niemand wollte mich nehmen.

Drei Tage verbrachte ich in der Baracke mit Ratten. Ich hatte Angst vor ihnen und verbrachte den größten Teil des Tages am Ufer eines Flusses, der wie ein Kanal aussah. Der Kai war mit Steinen ausgekleidet. So saß ich und beobachtete die vielen Fische im Fluss.

 
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Herr Stanislaw D., geb. am 24. März 1926, lebt heute in Posen, Polen.

Das Übergangslager in Hameln bestand aus einer Scheune. Als Schlafstätte diente eine Heu- und Strohunterlage, in der auch Läuse und Wanzen hausten. Das Lager hatte Platz für etwa 400 Personen. Unser Essen bestand aus Trockenproviant. Die Wachmänner trugen gelbe Uniformen. Das Lager lag im Südwesten von Hameln. Mein Aufenthalt in diesem Lager betrug eine Woche.

 

Frau Monika K., geb. am 9. Februar 1912 in Warschau, Polen.

Ich weiß nicht mehr, wie lange die Fahrt dauerte. Die Bahnstation, an der wir ankamen, hieß Hameln. Wir wurden durch die Stadt in einer Kolonne geführt. Man spürte die hasserfüllten Blicke der Passanten und ab und zu hörte man: "Polnische Banditen", "Warschauer Aufständische".

Als erstes wurden wir fotografiert und wir bekamen Nummern. Die nächste Etappe war das Arbeitsamt. Gleich auf der Straße suchten sich die Deutschen die Arbeitskräfte aus. Sie schauten sich unsere Hände darauf an, ob man arbeitsfähig war. Meine Gruppe wurde schließlich von einem Deutschen weggeführt. Wir wussten nicht, wie es weitergehen würde.

 

Kap. 5.1

Die Fotografien der Zwangsarbeiter

 

Viele der Fotos, welche die Ausstellung zeigt, entstanden, als die nach Deutschland Verschleppten bei der Ankunft in Hameln für die Ausstellung von Erfassungs- und Arbeitspapieren fotografiert wurden. Deswegen sind häufig Nummern und Kennzeichen auf ihrer Kleidung befestigt.

Einige Fotos hatten die Verschleppten auch aus ihrer Heimat mitgebracht, kenntlich z.B. an Schmuck und Trachtenblusen.

Ganz selten sind Fotos, die Menschen während der Arbeit oder im Lager zeigen.

Die schrecklichen Unterkünfte, den Hunger und den langen Arbeitstag vermitteln die Fotos nicht. Allenfalls deuten Mimik und Gesichtszüge auf eine Leidensgeschichte hin.

Die Fotos sind den Anmeldeunterlagen entnommen, die im Kreisarchiv Hameln-Pyrmont aufbewahrt werden.

 
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