Zur Geschichte der Juden in Hameln

und in der Umgebung

 

Die jüdische Gemeinde Hameln

Angeschlossene Orte:
Hilligsfeld (seit 1843), Börry, Emmern,
Grohnde, Kirchohsen und Tündern (seit 1912)

 

Aus der Geschichte der Stadt
Die jüdische Gemeinde im Mittelalter
Die jüdische Gemeinde in der Zeit von 1500-1918:
- Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse

Die jüdische Gemeinde in der Zeit von 1500-1918:
- Die religiösen Verhältnisse

Die jüdische Gemeinde in den Jahren der Weimarer Republik
Die jüdische Gemeinde in der NS-Zeit
Nach 1945
Die Namen der Opfer
Politische und religiöse Zugehörigkeit der Gemeinde
Gesamteinwohnerzahl / darunter Juden
Quellen und Literatur

 

Aus der Geschichte der Stadt

In Ergänzung zu den Ausführungen auf dieser Website wird das Thema "Die Stadt Hameln und ihre Juden" auf einer gesonderten, reich bebilderten Website mit dem Namen
www.juedische-geschichte-hameln.de entfaltet.

Sie gliedert das Thema unter insgesamt sieben Kapiteln:

Ein Gang durch 700 Jahre gemeinsamen Lebens

Die Vernichtung jüdischen Lebens – 1933-1945

Jüdisches Leben in Hameln heute

Synagoge und Mahnmal

Der jüdische Friedhof in der Scharnhorststraße

Auf den Spuren des früheren jüdischen Lebens in Hameln – ein Stadtrundgang

Der Kibbuz Cheruth in den Dörfern um Aerzen in den Jahren 1926 – 1930

 
Um 1200 entstand aus dem Stift St. Bonifatius, dem zum Stift gehörenden Markt und dem alten Dorf Hameln die Stadt Hameln. Früh ergaben sich Rivalitäten um die Stadt zwischen den Grafen von Everstein, den Bischöfen von Minden und den Welfen. Schließlich konnte Herzog Albrecht von Braunschweig 1270 die Stadtherrschaft erringen. Die Konkurrenz der Fürsten hatte der Rat dazu genutzt, sich selbständig zu machen. Im großen Stadtrechtsprivileg von 1277 bestätigte Herzog Albrecht umfangreiche Freiheiten und Rechte der Stadt.

Die an der Weser im Kreuzungspunkt mehrerer großer Straßen gelegene Stadt gewann als Umschlag- und Stapelplatz sowie Zoll- und Brückenstation überregionale Bedeutung. Seit dem Spätmittelalter war Hameln Mitglied der Hanse, seine Kaufleute waren auf Zwischenhandel ausgerichtet. Trotz seiner eher geringen Größe zählte es mit seinen gut 2.000 Einwohnern Ende des 16 Jhs. zur Gruppe der großen Calenbergschen Städte. 1540 wurde in der Stadt die Reformation eingeführt. 1572 trat Hameln aus der Hanse aus und gründete mit anderen welfischen Städten einen neuen Städtebund.

Im 16. und frühen 17. Jh. erlebte die Stadt ihre kulturelle und wirtschaftliche Blüte. Vom Reichtum und Selbstbewusstsein des Großbürgertums und der Landadligen zeugen die Steinbauten der Weserrenaissance. Korn-, Woll- und Tuchhandel brachten Wohlstand, der durch den Dreißigjährigen Krieg einen Einbruch erlitt. Mit der Umbildung der alten Ratsverfassung im Jahre 1688 verlor die Stadt ihre Selbständigkeit. Gleichzeitig erhielt sie als stärkste Landesfestung des niedersächsischen Grenzraumes einen breiten Festungsgürtel, der ab 1760 noch ausgebaut wurde.

In westfälischer Zeit wurde die Festung 1808 geschleift, das umfangreiche Festungsgelände aber erst 1850 für die Bebauung freigegeben. Jetzt konnte sich die Stadt ausdehnen und zum Standort wichtiger Industrien entwickeln. 1845 zählte die Stadt 6.404 Einwohner, 1884 bereits 10.924. Seit 1872 erhielt die Stadt Anschluss an moderne Verkehrswege; sie entwickelte sich zum Eisenbahnknotenpunkt. Eine wichtige Rolle im Leben der Stadt spielten auch das große Gefängnis sowie die Garnison.

 
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Die jüdische Gemeinde im Mittelalter

1277 – im großen Stadtrechtsprivileg – werden zum ersten Mal Juden in Hameln erwähnt. Ihre Herkunft ist nicht bekannt. Quellen aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. belegen, dass sich in diesem Zeitraum mindestens sieben jüdische Familien in Hameln niederließen. Unter ihnen waren drei Großfamilien, die über weit verzweigte Familienverbindungen verfügten: Bunne oder Bunum aus dem benachbarten Oldendorf und sein Sohn Isaak (seit 1322 bzw. 1325 in Hameln), Samuel und seine Frau Perle, die 1340 vom Rat auf zehn Jahre als Bürger aufgenommen wurden, und Süßkind (Zothekind) mit seinem verheirateten Sohn und dessen Familie (ca. 16-20 Personen), der seit 1341 die "Gunst des Rates" besaß. 1344 lebten gut 20 männliche Juden über 13 Jahren in Hameln. Nach der Pest (1348-1351), die Verfolgungen und Vertreibungen unbekannten Ausmaßes mit sich brachte, sind erstmals 1360 wieder Juden nachweisbar, aber vermutlich in geringer Zahl. Mehrere aus Hameln stammende Juden lassen sich in anderen Städten nachweisen: 1370 erhielt einer von ihnen landesherrlichen Schutz in Bielefeld; Moses von Hameln lebte 1394-1412 in Göttingen; Brune und ihre Tochter Jutta aus Hameln wohnten 1406/07 in Erfurt.

Das Stadtrechtsprivileg von 1277 legte fest, dass jeder Jude, der jetzt oder in Zukunft in Hameln wohnt, von allen Diensten an den Herzog befreit, der Stadt gegenüber aber zu den so genannten jura civilia, also den "Diensten eines Bürgers" verpflichtet war. Die Welfen erkannten die völlige Einfügung der Juden in die Stadtgemeinde an. Dieses außerordentliche Privileg (in den meisten Städten lag das Schutzrecht in dieser Zeit bei den Landesherren) wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrmals bestätigt. Allerdings gingen die Herzöge nicht aller Rechte an den Hamelner Juden verlustig. In bestimmten Fällen konnten sie außer dem Rat Gerichtsherren sein. Unbeschadet des Privilegs gab es auch mehrere Abgabenforderungen an die Hamelner Juden durch das Reich (1418) und den Landesherrn (1456/57). Laut der kaiserlichen Judensteuerverschreibungen zahlten Hamelns Juden 1418 zusammen 15 Gulden als ihren Anteil am sog. Bullengeld. Bei zwei bis drei Gulden pro Familie dürften wieder fünf bis sieben Familien in der Stadt gewohnt haben.

Die Rechtsstellung der jüdischen Bürger glich weitgehend derjenigen christlicher Bürger, sie unterstanden dem gleichen (unverbrieften und nicht befristeten) Schutz wie diese und waren zu gleichen Leistungen verpflichtet. Sie mussten Vermögenssteuern (den Schoß) und weitere Abgaben zahlen und Anteile am Schutz und an der Verteidigung der Stadt übernehmen. Diese Pflicht schloss die Haltung von Pferden, den Verleih eigener Pferde und außerordentliche Leistungen in Notfällen ein. Das "Judenbürgerrecht" berechtigte jedoch nicht zum Eintritt in eine Gilde und schloss auch keine politische Mitsprache ein.

Neben dem allgemeinen Judenrecht entwickelte sich für einzelne neu aufgenommene Familien, an denen der Rat ein starkes Interesse hatte, ein besonderer Judenschutz, der sie von der Mehrzahl der Pflichten des allgemeinen Judenrechts entband. Die in Hameln seit 1340 unter besonderem Schutz lebenden Juden hatten sich nur noch an den Wachdiensten und den Befestigungsarbeiten zu beteiligen. Als Gegenleistung musste die fällige Steuersumme im voraus für sechs oder zehn Jahre entrichtet werden – für die städtische Kasse eine beträchtliche Einnahmequelle.

Der besondere Judenschutz ist in vier Privilegien aus den Jahren 1340 und 1341 überliefert. Vorstufen sind in fünf Niederlassungsverträgen der 20er Jahre fassbar. Bereits hier wurden städtische Bürgerpflichten kontraktlich abgelöst. Steuerverträge und Schutzbriefe sind aus Hameln seit 1322 überliefert. Früher als für Hameln sind nur für Goslar Schutzbriefe belegt. Wie in Goslar setzte sich in Hameln der individuelle Schutzbrief, der es vermögenden Juden erlaubte, sich Privilegien zu erkaufen, gegen das allgemeine Judenrecht durch. Nur die "aremen joden", die ihre Steuer nicht im voraus entrichten konnten, unterstanden noch dem allgemeinen Judenrecht. Diese Praxis beinhaltet einen Selektionsprozess. Nur noch wirtschaftlich potente Familien wurden aufgenommen. Die vermögenden Juden waren als Geldverleiher, d.h. im Pfandgeschäft tätig – und das auch überörtlich. Ihre Schuldner kamen aus Höxter, Hastenbeck und Stadthagen.

Einschränkende Bestimmungen (etwa Verbot des Fleischverkaufs an Christen, Höchstzinssätze, Verbot des gemeinsamen Badens, Kleiderordnungen, entehrende Eidesformalitäten) sind in Hameln ebenso wenig belegt wie antijüdische Sprachstereotypen in den Schriftsätzen des Hamelner Rates. Auch über Bestrebungen des Rates, die auf eine Ausweisung der Juden abzielen, ist nichts bekannt.

Ein abgeschlossenes Judenviertel scheint es zumindest im 14. und 15. Jh. in Hameln nicht gegeben zu haben. Eine "Judengasse" wird erstmals 1552 erwähnt. Im Hof eines von der Stadt angemieteten, aber nicht mehr zu lokalisierenden Hauses existierte bereits 1341 eine als "dere stad scole" bezeichnete Synagoge. 1344 bestand die Absicht, in diesem Haus ein Hospiz für arme Juden einzurichten. Von Juden bewohnt war ein ebenfalls von der Stadt angemietetes Steinhaus mit zwei benachbarten Buden und ein Haus, zu dem ein Hof gehörte. Über einen Friedhof ist für diese Zeit nichts bekannt.

Ein Streit zwischen der Familie Zothekinds und den Familien Isaaks und seiner Kinder spaltete die Gemeinde. Anlass mag die rechtliche Besserstellung gewesen sein, die Zothekind (Süßkind) in seinem Niederlassungsprivileg (1341) erreichte, möglicherweise aber auch die Konkurrenz der Geldverleiher. Der Rat griff ein und entschied den Streit 1344 zugunsten der Familie Zothekinds. Sie wurde amnestiert und erhielt das Recht, die Synagoge der Gemeinde zu besuchen oder sich eine neue Synagoge einzurichten (in ihrem eigenen Haus oder "anderswo in Hameln") und dorthin die Hälfte der "aremen joden" mitzunehmen. Ob eine zweite Synagoge entstand, ist nicht bekannt. Der Hauptanstifter der Unruhen wurde aus der Stadt verwiesen.

 
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Die jüdische Gemeinde in der Zeit von 1500-1918:
Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse

Für das 16. Jh. wird die Haltung der Stadt Hameln als "auffällig judenfreundlich" eingeschätzt. So setzte sich Hamelns Obrigkeit in der Reformationszeit (1535) für die Abschaffung ritualisierter Verspottungen von Juden ein. Im Zusammenhang mit Fastnachtsspielen hatte es in der Bevölkerung die Gewohnheit gegeben, die Juden auf einem Tuch in die Luft zu werfen. 1570 wurde ein Christ wegen "Gewalt an Juden" zu 6 Pfund Strafe verurteilt. Dennoch zeigten auch in Hameln die in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. ausgesprochenen Aufenthaltsverbote des Landesherrn Wirkung: Über einen längeren Zeitraum lebte nur ein einziger Schutzjude in der Stadt – nicht zuletzt, weil die Stadt Hameln sich über das 1591 verhängte Ausweisungsedikt hinwegsetzte und die Großfamilie von Israel heimlich duldete. 1596 gehörten zu seinem Haus sieben Erwachsene. Angesichts einer erneuten Judenaustreibung im Jahre 1615 schrieb die Stadt zwei Briefe an den Landesherrn mit der Bitte, doch einen oder zwei Juden behalten zu dürfen – aus wirtschaftlichen Gründen sowie aus Mitleid mit den armen Juden.

Die Kopfsteuerbeschreibung von 1689 nennt für Hameln wieder vier jüdische Familien mit insgesamt 37 Mitgliedern. Mehrere der um 1700 in Hameln lebenden jüdischen Familien (u.a. Gans, Schay, Hamm und Goldschmidt) waren sehr wohlhabend und besaßen überwiegend ein Haus und Dienerschaft. Die Messebesuche belegen, dass es sich nicht um Krämer, sondern um Fernhändler mit weit reichenden Beziehungen handelte. Durch Heiraten waren sie vielfältig verwandtschaftlich miteinander verbunden und zählten zur jüdischen Oberschicht in Nordwestdeutschland. Für diese Familien erwies sich Hameln letztlich als zu klein. Sie wechselten u.a. ins benachbarte Hannover.

In den Kämmereirechnungen für die Jahre 1713 bis 1840 schwanken die Angaben über den jüdischen Bevölkerungsanteil stark. Er liegt zwischen einer und neunzehn jüdischen Familien. Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) sank die Zahl der Schutzjuden zeitweise auf einen. Seit Ende des 18. Jhs. gewann die jüdische Einwohnerschaft wieder an Konstanz. Durchschnittlich lebten zwölf jüdische Familien in der Stadt.

Insgesamt war die wirtschaftliche Lage der Hamelner Juden im 18. und der ersten Hälfte des 19. Jhs. nicht gut. 1831 wurden sechs von zehn Juden wegen Bedürftigkeit von der Zahlung des Schutzgeldes befreit. 1833 beklagte sich der Magistrat über viele "bettelarme" Juden in der Stadt. In der ersten Hälfte des 19. Jhs. befassten sich allein sechs Familien (von zehn bis zwölf) in Hameln mit dem Trödelhandel. Dazu kamen zunftfreie Gewerbe (Buchbinderei, Putzmacherei, Tabakshandel, ein Wattegeschäft) sowie Geldgeschäfte und Lotteriekollektion. Seit ca. 1833 gab es einen jüdischen Arzt. Von Mitte des 19. Jhs. an wurde Hameln zum wirtschaftlichen Anziehungspunkt für die jüdische Bevölkerung der umliegenden Dörfer. Viele "Landjuden" verlegten ihren Wohnsitz in die Stadt, so dass die Anzahl der Juden in Hameln von 86 im Jahr 1845 auf 220 im Jahr 1899 anstieg. Fünf erfolgreiche Bankgeschäfte und zahlreiche Manufakturwarengeschäfte entstanden. Die aus der Umgebung hinzuziehenden Juden versuchten sich als Getreide-, Vieh- und Pferdehändler. Akademiker gab es kaum, ebenso wenig öffneten sich die Hamelner Juden den handwerklichen Berufen.

 
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Die jüdische Gemeinde in der Zeit von 1500-1918:
Die religiösen Verhältnisse

1732 wurde in Hameln formell eine jüdischen Gemeinde gegründet, die dem Landrabbinat Hannover unterstand.

Mit Blick auf den bevorstehenden Festungsbau, in dessen Zuge der alte Friedhof (im Bereich des heutigen Krankenhauses an der Weser) 1761 mitsamt den Grabsteinen zerstört und eingeebnet wurde, kaufte die Gemeinde 1743 von dem Bürger Loding für 72 Taler den "Garten vor dem Ostertor" an der heutigen Scharnhorststraße und legte dort ihren Friedhof an. Landrabbiner Meyer stellte 1875 fest, dass der Friedhof "eigen, schön in Ordnung und befriedigt" sei. Vier Jahre später unterstützte er den von Gemeindevorsteher Carl Michaelis aufgrund des stetigen Anwachsens der jüdischen Gemeinde gestellten Antrag auf Erweiterung des Geländes um über 1.200 qm auf 2.126 qm. Die landdrosteiliche Genehmigung datiert auf den 16. 1. 1880. Seit 1908 regelte eine Friedhofs- und Beerdigungs-Ordnung die Art und Weise der Bestattungen und die Gestaltung der Gräber.

Die Gottesdienste wurden seit ca. 1670 in einem gemieteten Zimmer in einem Wohnhaus in der Bäckerstraße abgehalten. Dort gab es auch eine Mikwe. Seit 1776 befand sich die Synagoge in einem Raum des Hauses Alte Marktstraße 12. Das Haus gehörte einem Christen und wurde um 1864 gekauft. Um 1800 wird mit Joseph Fränkel erstmals ein Vorsänger und Schächter genannt. Reparaturen und Verschönerungsarbeiten änderten nichts daran, daß seit Mitte des 19. Jhs. die Klagen über den Betraum zunahmen. 1874 notierte Landrabbiner Meyer, die Synagoge sei zu klein und baufällig. Schon in den 60er Jahren gab es Überlegungen zum Neubau oder Kauf eines Synagogengebäudes; spätestens seit 1874 existierten ein Synagogenbaufond und einige größere Schenkungen zugunsten des Neubaues. Als der Magistrat 1875/76 der jüdischen Gemeinde die leer stehende Garnisonskirche zur Einrichtung einer Synagoge verkaufte, kam es zu massiven antijüdischen Protesten: Einzelne evangelische Pfarrer sahen in der Umwandlung der Kirche in eine Synagoge eine Entweihung und hätten es viel leichter ertragen, die Kirche zu profanen Zwecken genutzt zu sehen. Mit der vorgeschobenen Begründung, der Kaufpreis sei zu niedrig, untersagte die Landdrostei schließlich den Verkauf.

Da das alte Synagogengebäude bereits verkauft war, geriet die Gemeinde nun unter erheblichem Zeitdruck. Als die Stadt ihr ein Grundstück in der abgelegenen Bürenstraße verbunden mit einem zinsgünstigen Kredit anbot, griff die Gemeinde nach langwierigen Diskussionen und Auseinandersetzungen schließlich zu und beauftragte den Architekten und Erbauer der neuen hannoverschen Synagoge, Edwin Oppler, mit dem Bau von Synagoge und Lehrerhaus. Der 1879 eingeweihte monumentale Bau im romanischen Stil dokumentierte eindrucksvoll die überwiegend konservative und nationale Einstellung der Gemeinde. 1883 war der Bau Ziel von Verwüstungen: Fenster wurden eingeschlagen und Steine aus der Fassade herausgebrochen.

Erstmals Anfang der 30er Jahre des 19. Jhs. werden 1832 der Lehrer Herz und 1834 ein im Hause Silberschmidt wohnender Lehrer genannt. Ende der 30er Jahre bemängelte Landrabbiner Adler, daß die acht schulpflichtigen Kinder seit fünf Jahren ohne Religionsunterricht seien. Nachdem die Gemeinde seinen Anordnungen auf Einstellung eines Lehrers nicht folgte, schaltete Adler den Magistrat ein. Mehrere Strafgeldandrohungen durch Bürgermeister Domeier hatten letztlich 1839 die Einstellung von Josua Leszynsky zur Folge. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden blieben die Lehrer in Hameln bis ins 20. Jh. hinein jeweils sehr lange im Amt sind und sorgten für eine große Konstanz im Gottesdienst und in der Schule: Josua Leszynsky (bis 1872), Adolf Rosenbaum (1872-1898) und Salomon Bachrach (1898-1926).

In den ersten Jahren seiner Amtszeit unterrichtete der aus Polen stammende Leszynsky, der auch Vorsänger und Schächter war, durchschnittlich zehn Kinder in allen Fächern. In die Amtszeit von Leszynsky fiel auch die Umsetzung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Juden vom 30. September 1842. In dessen Zuge wurde 1843 die Synagogengemeinde Hameln gegründet, der von Anfang an auch die Juden aus Hilligsfeld angehörten. Als Folge der neuen Gesetzgebung schloss die Landdrostei die jüdische Elementarschule, da sie den gesetzlichen Erfordernissen an einen allgemeinen Unterricht nicht entsprach. Leszynsky blieb als Religionslehrer und unterrichtete 1859/60 14, 1864 22 und 1867 27 Kinder. In der Zeit der Emanzipation und Assimilation führte Leszynsky die Gemeinde konsequent auf einen Reformkurs. In seine Zeit fällt die Einführung der deutschen Sprache im Gottesdienst; anlässlich einer "Konfirmation" erklangen in der Synagoge mehrstimmig deutsche Choräle.

1872 kam Adolf Rosenbaum als Religionslehrer nach Hameln. Überlegungen, wieder eine Elementarschule einzurichten, wurden fallengelassen. Die Zahl der Schüler betrug damals 23; 1874 waren es 28. Rosenbaum war auch Seelsorger der jüdischen Häftlinge in der Hamelner Strafanstalt, dem zentralen Haftort für die jüdischen Häftlinge in Provinz Hannover.

Nachfolger wurde Salomon Bachrach, der zuvor als erster Lehrer an der 1893 gegründeten Israelitischen Gartenbauschule in Ahlem tätig gewesen war. An seinem Religionsunterricht nahmen 1901 noch 42 Kinder teil, 1913 war ihre Zahl auf 25 gesunken. Der 1911 gestellte Antrag auf Einrichtung einer selbständigen Volksschule wurde abgelehnt.

 
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Die jüdische Gemeinde in den Jahren der Weimarer Republik

Die Zahl der Gemeindemitglieder erreichte während der Weimarer Zeit nicht mehr den Stand der Blütezeit der Gemeinde am Ende des 19. Jhs. Der Zuzug von den Dörfern wurde durch den Wegzug in die Großstädte übertroffen. Der Rückgang machte sich auch in geringen Schülerzahlen bemerkbar: Gab es 1921 noch 36 Schulkinder, waren es 1928 nur zwölf. Die drei Lehrer der Weimarer Zeit – Salomon Bachrach (bis 1925), Josef Rosenzweig (1925-1928) und Hermann Scheuer (ab 1929) – unterrichteten auch in Nachbarorten und fungierten als Kantor und Schächter.

Der Schwerpunkt des Anteils der Juden am ökonomischen Leben der Stadt lag im Bereich Kleiderkonfektion und Manufakturwaren sowie Vieh-, Pferde- und Landhandel. Das einzige Kaufhaus der Stadt war in jüdischem Besitz. Das jüdische Bankwesen war hingegen zumeist schon um die Jahrhundertwende eingegangen. Hinzugekommen waren einige Fabrikanten (Teppichwerk und Wollwarenfabrik). Recht wenig waren jüdische Akademiker vertreten; es gab zwei, zeitweise drei jüdische Ärzte sowie zwei Rechtsanwälte. Arbeiter, Angestellte, auch berufstätige Frauen wies die traditionelle und kleinstädtische Hamelner jüdische Gemeinde kaum auf. Viele Hamelner Juden gehörten dem eher gehobenen bürgerlichen Mittelstand an. Daneben gab es aber eine größere Zahl unverheirateter oder verwitweter Gemeindemitglieder, die vom Besitz eines kleinen Hauses, Mieteinnahmen oder Renten (einzelne auch von der Fürsorge) lebten.

Auffällig ist, dass Mitglieder der Synagogengemeinde keinen Zugang zu politischen Ämtern suchten, was der ökonomischen Bedeutung der Gemeinde durchaus entsprochen hätte. Im Rat der Stadt war nie ein Jude vertreten.

Gegenüber antisemitischen Ereignissen (z.B. 1921 eine vom deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund einberufene Versammlung; um 1930 eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen einem Nationalsozialisten und einem jüdischen Viehhändler in Hessisch Oldendorf, die für große Aufregung sorgte; 1931/32 Flugblätter der NSDAP-Ortsgruppe Hameln mit der Aufforderung zum Boykott jüdischer Geschäfte) verhielt sich die Gemeinde eher passiv und verwies immer wieder auf die im Kriege für Deutschland erworbenen Verdienste und auf ihre Staatstreue.

Auf das kulturelle Leben der Stadt blieben die Juden ohne großen Einfluss. Einzig der "Verein für jüdische Geschichte und Literatur" bemühte sich aktiv, durch Vorträge jüdische Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Aber auch diese Aktivität erlahmte nach dem Tod seines langjährigen Vorsitzenden Salomon Bachrach (1926).

Blickt man auf die jüdischen Vereine, die neben diversen gemeindlichen Wohlfahrtsinstitutionen bestanden, stellte sich die Jüdische Gemeinde als recht konservativ dar. Der von Willy Löwenstein und später von Dr. Ernst Herzberg geführte "Reichsbund für jüdische Frontsoldaten" zählte durchschnittlich 30 Mitglieder.1920 ließ er in der Synagoge eine bronzene Gedenktafel für die sechs im Ersten Weltkrieg zu beklagenden jüdischen Gefallenen anbringen. Der "Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" war mit 25 Mitgliedern ebenfalls stark vertreten. Auch hier hatte Dr. Herzberg den Vorsitz inne. Die zionistische Bewegung spielte in Hameln nur eine geringe Rolle; die Ortsgruppe der "Zionistischen Vereinigung" – 1912 erstmals genannt – zählte nur wenige Mitglieder. Sie war ebenfalls konservativ, lehnte lange die Auswanderung nach Palästina ab und stand in keinem Zusammenhang mit dem vom Hamelner Zahnarzt Hermann Gradnauer 1926 mitgegründeten "Kibbuz Cheruth", einem Ausbildungszentrum für zionistische Jugendliche in den Dörfern zwischen Hameln und Pyrmont, das sich auf die Ideen des Brit Haolim ("Bund der Aufsteigenden") berief. Gradnauer war einer der wenigen Zionisten in der sehr konservativen Hamelner jüdischen Gemeinde. Er besorgte den Kibbuzniks, die aus ganz Deutschland und aus Osteuropa nach Hameln kamen (unter ihnen jedoch niemand aus Hameln) Stellen bei den Bauern, organisierte die "Kulturarbeit" und hielt Vorträge über die Kibbuzbewegung, die er von eigenen Reisen her kannte. Ende der 20er Jahre gab er seine Praxis am Kastanienwall auf und ließ sich in Palästina, im Kibbuz Givat Brenner, nieder.

 
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Die jüdische Gemeinde in der NS-Zeit

Unmittelbar nach der Reichstagswahl vom 5. 3. 1933 setzten in Hameln scharfe Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte und Privatpersonen ein. Es gab einen Brandanschlag auf die Synagoge, Fensterscheiben von jüdischen Geschäften wurden zerschlagen, SA-Männer zogen mit einem Galgen durch die Stadt und stellten ihn vor jüdischen Geschäften auf, jüdische Männer wurden mit umgehängten Schildern durch die Straßen getrieben, vereinzelt kam es zu Plünderungen. Höhepunkt war der offizielle Boykott-Tag am 1. April, zu dem eine großformatige Anzeige in der Deister- und Weserzeitung erschien, die insgesamt 29 jüdische Geschäftsleute, Ärzte und Rechtsanwälte mit Namen und Anschrift aufzählte.

Die Boykottaktionen gingen auch nach dem 1. 4. 1933 weiter. Bürger wurden beim Betreten jüdischer Geschäfte von Hitlerjungen fotografiert. Einen besonderen Höhepunkt erreichten die Boykottmaßnahmen noch einmal im Sommer 1935. Die Namen von "Judenfreunden" wurden in den so genannten Stürmerkästen veröffentlicht, von denen einer neben der Synagoge in der Bürenstraße stand, der andere gegenüber dem Rathaus. An verschiedenen Stellen der Stadt, u.a. auf dem Pferdemarkt, wurden damals Schilder mit antijüdischen Parolen angebracht. Im April und Mai 1935 kam es außerdem zu mehreren Anschlägen auf die Synagoge. Verantwortlich für diese besonders schlimmen Auswüchse des "Radauantisemitismus" war die Führung der Ortsgruppe der NSDAP Hameln. Männer wie Kalusche, Scheller, Teich und Melcher standen für demonstrative Radikalität im Vorgehen gegen die Hamelner Juden. Die Hamelner NSDAP hat diese Männer später selbst als Belastung empfunden und aus ihren Ämtern entfernt.

Die Hamelner jüdischen Geschäftsleute selbst wehrten sich kaum. Ansätze zum Protest bzw. Widerstand gab es nur bei dem Kaufmann Salomon Keyser, der die niederländische Staatsangehörigkeit besaß. Seine Beschwerden bei der Stadt blieben jedoch erfolglos.

Die Boykottmaßnahmen führten zu zahlreichen Firmenverkäufen und Vergleichsverfahren. Konkurse konnten mit Mühe abgewendet werden. Im Jahre 1935 waren von den 29 im Boykottaufruf genannten Firmen, Geschäften und Praxen gut zwei Drittel geschlossen bzw. verkauft. Faktische Berufsverbote (Entzug der Kassenzulassung und der Zulassung zu den Gerichten) trafen die jüdischen Ärzte und Rechtsanwälte der Stadt, von denen die Mehrzahl auswanderte.

1935 gab es nur noch wenige offene jüdische Ladengeschäfte in der Stadt. Manche, die ihr Geschäft hatten aufgeben müssen, arbeiteten nun als reisende Kaufleute, einzelne als Fabrikarbeiter. Jüdische Viehhändler betrieben ihre Geschäfte noch weiter, was den besonderen Zorn von NSDAP und Oberbürgermeister hervorrief. Insgesamt war die ökonomische Lage der Hamelner Juden schlecht, und sie verschlechterte sich weiter von Jahr zu Jahr.

Ende 1938 hatten an Juden ausgegebene Wandergewerbescheine ihre Gültigkeit verloren, so dass es ihnen nun auch verwehrt war, als Vertreter zu arbeiten. Sie lebten von Renten, kleinen Mieteinkünften und vom Vermögen, einzelne auch von der Fürsorge.

Auswanderungen waren in der frühen Phase des Nationalsozialismus eher selten. Die jüdische Gemeinde riet von Auswanderungen ab. Es waren einzelne junge, häufig zionistisch orientierte Leute, die Deutschland verließen. Die Mehrzahl der übrigen, die aus Hameln wegzogen, suchte die Anonymität der Großstädte und ging vor allem nach Hannover.

Die Jahre 1935 bis 1938 brachten eine erhebliche Verschärfung der antijüdischen Politik. An die Stelle des in Hameln besonders starken "Radauantisemitismus" traten nun allerdings Maßnahmen der Behörden, die im Ergebnis viel effizienter waren, der städtischen Öffentlichkeit aber weitgehend verborgen blieben.

1935 verstärkte die jüdische Gemeinde ihre Versammlungstätigkeit. In zahlreichen Vorträgen auswärtiger Referenten traten die Differenzen zwischen Zionisten, die die Auswanderung propagierten, und den Juden, die in Deutschland bleiben wollten, klar hervor. Der Reichsbund befürwortete nun zumindest die Auswanderung der jüdischen Jugendlichen. Erst 1936, als die Auswanderung in viele Länder bereits sehr erschwert war, setzte sich der Reichsbund für die Auswanderung aller Juden aus Deutschland ein.

Durch Gesetz vom 28. März 1938 verlor die Synagogengemeinde ihren öffentlich-rechtlichen Status und unterlag als Verein der Aufsicht durch die Verwaltung. Der Gemeindevorsitz wechselte in der NS-Zeit häufig, und die Gemeinde hatte Mühe, den Posten zu besetzen. Nach dem Tod von Julius Michaelis übernahm 1934 zunächst Theo Friedmann, dann 1936 der Viehhändler Albert Jonas den Posten. Dieser trat nach einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen zurück und wurde durch den Rechtsanwalt Harry Binheim abgelöst. Binheim, dem im Herbst 1937 die Ausreise nach Palästina gelang, folgte Dr. Siegmund Kratzenstein. Nach Kratzenstein, der die Misshandlungen im KZ Buchenwald nicht überlebte, übernahm der greise Elias Birnbaum das Amt. 1941, nach dessen Tod, wurde schließlich Fräulein Löwenstein als "Vertrauensfrau" der Gemeinde genannt.

In der Nacht zum 10. November 1938 wurde die Synagoge angezündet und durch das Feuer völlig zerstört. Die Täter waren überwiegend SA-Leute und einige SS-Männer aus Hameln. Gestapo-Beamte beschlagnahmten das Archiv der Synagogengemeinde. Die Feuerwehr schützte die Nachbarhäuser. Die Stadt Hameln ließ in den folgenden Tagen die Ruine bis auf die Grundmauern abtragen, kaufte das Grundstück für einen geringen Preis und wandelte es in Gartenland um.

Auf dem Friedhof an der Scharnhorststraße wurden in dieser Nacht die meisten Grabsteine umgeworfen, einige mit Spitzhacken in Splitter gehackt. Das Gelände des Friedhofes wurde 1943 durch die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" an einen Steinmetzmeister verpachtet und die noch vorhandenen Steine für 1.215 RM verkauft.

Die beiden letzten jüdischen Manufakturwarengeschäfte von Bernstein und Hammerschlag wurden geplündert und die Warenlager am folgenden Tage zugunsten der NSV beschlagnahmt. Beide Geschäfte wurden anschließend geschlossen.

Zehn jüdische Männer wurden in der Nacht verhaftet, teilweise vor die brennende Synagoge geführt und dann über Hannover nach Buchenwald verschleppt. Walter Katz kam dort um. Der Arzt Dr. Siegmund Kratzenstein starb wenige Tage nach seiner Entlassung an den Folgen der Misshandlungen. Am 1. 12. 1938 wurde er auf dem zerstörten Friedhof bestattet. Ein Teil der Männer blieb bis März 1939 in Buchenwald. Von den acht Hamelner Juden, die Buchenwald überlebten, gelang in der Folge nur dreien die Ausreise.

Nach dem Novemberpogrom kam es zu verzweifelten Versuchen, die Auswanderungsbemühungen zu forcieren. Die Eheleute Max und Margarete Birnbaum, die 1937 ihre beiden Kinder ins Ausland geschickt hatten, wurden bei dem Versuch, Devisen für die Auswanderung auf dem Schwarzen Markt zu beschaffen, verraten und verhaftet. Während der Untersuchungshaft nahm sich Margarete Birnbaum das Leben, ihr Mann wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Im März 1942 wurde er in das Warschauer Ghetto deportiert. Ende Juni 1941 konnte Emilie Frankenstein über Marseille nach Palästina auswandern. Sie war vermutlich die letzte jüdische Einwohnerin Hamelns, der die Auswanderung gelang. 1939 lebten noch 44 jüdische Menschen in der Stadt.

Besonders früh im Vergleich zu anderen Städten richtete die Stadt Hameln so genannte Judenhäuser ein. Bereits im Oktober 1939 wurden durch den städtischen Vermessungsrat Reiche zwei Häuser als "Judenhäuser" festgelegt: der große Wohnkomplex Neue Marktstraße 13/Hummenstraße 1 sowie das Haus Pferdemarkt 8. Die "Wohnungsumsetzungen" begannen sofort. Im Sommer 1940 war die Belegung der "Judenhäuser" im wesentlichen abgeschlossen. Anfang 1941 lebten im "Judenhaus" Neue Marktstraße 17 jüdische Personen, im Haus Pferdemarkt 8 waren es fünf jüdische Frauen. Von den 22 Menschen waren 16 älter als 60 Jahre. Nur vier Männer waren darunter, von denen zwei, die im arbeitsfähigen Alter waren, Zwangsarbeit leisten mussten. Vereinzelt lebten jüdische Personen auch noch 1941 in ihren angestammten Wohnungen.

Die Einzelheiten über die Transporte aus Hameln liegen weitgehend im Dunkeln. Ende März 1942 wurden 13 Hamelner Juden in die zentrale Sammelstelle nach Hannover-Ahlem gebracht und von dort am 1. April nach Warschau deportiert; unter ihnen die erst fünfjährige Helene Hammerschlag. Mit dem Transport, der am 23. Juli 1942 aus Ahlem nach Theresienstadt abging, wurden ebenfalls 13 Juden aus Hameln sowie zwei aus dem benachbarten Hemeringen deportiert. Die in das Warschauer Ghetto Deportierten gelten sämtlich als verschollen. Die alten jüdischen Menschen, die nach Theresienstadt deportiert wurden, starben zumeist an den unsäglichen Lebensbedingungen im Lager; fünf von ihnen mussten noch einen weiteren Weg in eines der Vernichtungslager antreten. Eine Hamelner Jüdin überlebte Theresienstadt. Jettchen Birnbaum gehörte zu den 1.210 Juden, die das Internationale Rote Kreuz am 5. Februar 1945 in die Schweiz bringen konnte, wo sie jedoch wenige Monate später verstarb.

Viele Hamelner Juden waren in die Großstädte gezogen, um dort im Schutze der Anonymität vermeintlich sicherer zu leben. Viele waren auch in die Niederlande emigriert. Sie sind mit ganz wenigen Ausnahmen ebenfalls deportiert worden. Insgesamt sind 101 Hamelner Jüdinnen und Juden deportiert und umgebracht worden.

Auch nach den Deportationen des Jahres 1942 lebten weiterhin Juden in der Stadt, zumeist waren es Frauen aus so genannten Mischehen und eine größere Anzahl von "Mischlingen ersten Grades". Aufgrund eines Erlasses vom Oktober 1944 waren alle "Mischlinge ersten Grades" und "jüdisch Versippte" zum "geschlossenen Arbeitseinsatz" zu bringen. Die Männer aus dem Hamelner Raum wurden in das Konzentrationslager Holzen bei Eschershausen eingeliefert. Im Februar 1945 sollten die "jüdischen Teile aus Mischehen" nach Theresienstadt deportiert werden. Auf der Transportliste fanden sich sieben Namen jüdischer Frauen und Männer aus Hameln sowie fünf Namen aus dem Kreis Hameln-Pyrmont. In mehreren Fällen protestierten Angehörige erfolgreich gegen den Deportationsbefehl. Der Arzt Dr. Richard Klages nahm eine jüdische Frau in seine Privatstation auf und machte sie durch Spritzen transportunfähig. Diejenigen, die deportiert wurden, kehrten einige Monate nach der Befreiung des Lagers nach Hameln zurück.

Die Vernichtung des jüdischen Lebens 1933-1945

 
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Nach 1945

Von den vertriebenen Hamelner Juden kehrte niemand nach Hameln zurück. Von den in "Mischehe" lebenden Juden und ihren Kindern bekannte sich niemand zum Judentum. Jüdisches Leben in Hameln war für eine lange Zeit erloschen.

Auf Anordnung der britischen Besatzungsmacht und auf Drängen der jüdischen Gemeinde in Hannover erklärte sich die Stadt Hameln 1946 bereit, den Friedhof instand zu setzen. Da man sich nicht bemühte, zerschlagene Steine wieder zusammenzusetzen, blieb die Rekonstruktion unvollkommen. Es ist von einem Verlust von ca. 100 Steinen auszugehen; 173 Grabsteine sind noch erhalten.

Von Überlebenden oder der Jewish Trust Corporation in den folgenden Jahren angestrengte Wiedergutmachungsverfahren führten in mehreren Fällen zu Entschädigungszahlungen; die Verkäufe selbst wurden nicht rückgängig gemacht. Die Stadt Hameln blieb im Besitz des Grundstückes der ehemaligen Synagoge, wobei es allerdings zu einem Wiedergutmachungsverfahren kam. Die Stadt verpachtete das als Garten genutzte Grundstück an den Mieter des ehemaligen Lehrerhauses. Einen Prozess um die Vorgänge des 9. November 1938 hat es nicht gegeben. Auch die für den wilden antisemitischen Ausschreitungen der Jahre 1933-1935 Verantwortlichen wurden nicht vor Gericht gestellt. Sie waren teilweise noch vor Kriegsbeginn aus Hameln verschwunden.

Zwei städtische Beamte, die bei der Umsetzung der antijüdischen Maßnahmen besonders hervorgetreten waren, Stadtrat Dr. Hans Krüger und Vermessungsrat Gerhard Reiche, wurden nach Kriegsende entlassen und hatten sich einem Entnazifizierungsverfahren zu stellen. 1951 waren beide Beamte jedoch wieder in ihren angestammten Ämtern bei der Stadt Hameln beschäftigt.

Im November 1963 wurde auf Anregung des überlebenden Moshe Keyser auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge, auf dem zwischenzeitlich ein Spielplatz angelegt worden war, ein bescheidener Gedenkstein aufgestellt. Veröffentlichungen und Ausstellungen zur Geschichte der Hamelner Juden und ihrem Schicksal sowie die Kontaktaufnahme mit überlebenden Juden und regelmäßige Einladungen der Stadt gaben Anstöße zur Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte und zu ihrer Aufarbeitung. Ein von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit initiierter Aufruf ermöglichte 1996 eine weitgehend aus privaten Spendenmitteln finanzierte Neugestaltung des Mahnmals; es enthält eine Stele des hannoverschen Künstlers Breuste und fünf Tafeln, die Namen und Schicksale aller aus Hameln stammenden Deportierten nennen.

1997 gründete sich die Jüdische Gemeinde Hameln e.V. Sie ist Mitglied im neu gegründeten Landesverband der (liberalen) Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen e.V. Dem Verein gehören nahezu ausnahmslos jüdische Kontingentflüchtlingen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion an. 1998 wurde eine zweite jüdische Gemeinde in Hameln gegründet, die Jüdische Kultusgemeinde Hameln-Pyrmont, die dem Landesverband der jüdischen Gemeinden Niedersachsens angehört. Seit dem Jahre 1998 hat es wieder Bestattungen auf dem jüdischen Friedhof an der Scharnhorststraße gegeben, der inzwischen von der Jüdischen Kultusgemeinde gepflegt wird. Im Jahre 2002 errichtete die liberale jüdische Gemeinde einen zweiten Friedhof auf dem Wehl.

 
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Die Namen der Opfer

Zur Einführung

Das vorliegende Gedenkbuch hat die Aufgabe, an die Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft Hamelns zu erinnern, die während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. Es verzeichnet einhundert Namen von Menschen, die in Hameln geboren wurden, in dieser Stadt lebten oder Hameln als Wohnsitz nahmen. Aufgenommen wurden auch Bewohner der unmittelbar angrenzenden Dörfer wie Tündern und Hemeringen.

Die Mehrzahl der Ermordeten hat die Stadt Hameln vor der Katastrophe verlassen, häufig deswegen, weil sie sich angesichts des alltäglichen Antisemitismus in der Anonymität einer Großstadt wie Hamburg oder Berlin sicherer fühlten. Die Großstädte boten noch ein funktionierendes jüdisches Wohlfahrtssystem. Andere waren in die Niederlande geflohen. Neunundzwanzig waren bis zum Schluss in Hameln geblieben, viele von ihnen ältere, oft allein stehende Frauen. Neunundzwanzig werden von Hameln aus deportiert, die übrigen aus den verschiedensten Städten des Deutschen Reiches und der Niederlande.

Berücksichtigt wurden jene Personen, die von den Nationalsozialisten als Juden diskriminiert, verfolgt und ermordet wurden. Darunter sind Menschen, die keine Mitglieder der Synagogengemeinde gewesen sind und die außerhalb der jüdischen Gemeinschaft gelebt haben, Menschen, die erst durch die nationalsozialistischen Rassegesetze zu Juden gemacht worden sind.

Die Darstellung folgt der alphabetischen Reihenfolge. Eine Ordnung nach Familien verbot sich, weil in mehreren Fällen die Verwandtschaftsbeziehungen nicht mehr zu rekonstruieren sind. Jede Person sollte eine eigene Darstellung erfahren. Es ist nicht versucht worden, Wiederholungen, besonders in den Biographien von Verwandten, zu vermeiden.

Die Darstellung der Schicksale wurde auf ein Grundgerüst reduziert. Der erste Absatz enthält die Daten zu Geburt, Familienstand und die Wohnadressen; der zweite Absatz schildert Werdegang und berufliche Tätigkeit, wobei die Lebensbeschreibungen der Frauen hier deutlich kürzer ausfallen als die der Männer; der dritte Absatz das Schicksal der Verfolgung.

Nur bei neun Menschen wissen wir das Datum und den Ort ihres Todes. Bei der Mehrzahl der Deportierten gibt die Nennung des Namens auf einer Transportliste einen letzten Hinweis; Ortsnamen wie Warschau, Riga, Auschwitz, Maly Trostinez sind die letzte Spur ihres Lebens. Vierundzwanzigmal steht ein "verschollen" am Ende der Zeile. Dann wissen wir nicht einmal vom Datum und Zielort der Deportation. Über die näheren Umstände des Todes der Deportierten wissen wir in den allermeisten Fällen nichts. Starben sie bereits auf dem Transport? Starben sie an Krankheit und Hunger und Entkräftung im Ghetto oder Lager? Wurden sie in der Gaskammer eines Vernichtungslagers ermordet, oder wurden sie erschossen?

Berücksichtigt wurden auch Menschen, die sich angesichts der Verfolgung das Leben nahmen, Menschen, die den Aufenthalt im Konzentrationslager überlebten und Wochen später an den erlittenen gesundheitlichen Schäden starben und schließlich die Menschen, die im Oktober 1938 als polnische Juden an die polnisch-deutsche Grenze verschleppt wurden und seitdem verschollen sind.

Das Ausmaß an Schrecken, das die Deportierten erleiden mussten, führt an die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens. Die wenigen Zeilen, die das Gedenkbuch über jeden Ermordeten enthält, sind kaum in der Lage, dies zu zeigen.

Die Namen der Opfer sind wegen der ausführlichen Schilderung der Schicksale auf einer gesonderten Seite dargestellt: Die Namen der Opfer.

 
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Politische und religiöse Zugehörigkeit der Gemeinde

Hzt. Braunschweig-Lüneburg (Calenberg) (1523-1692) / Kft. Hannover (1692-1807) /Kgr. Westphalen (bis 1813) / Kgr. Hannover (bis 1866) / Prov. Hannover (bis 1946); Landdrostei / Regierungsbezirk Hannover; amtsfreie, seit 1862 selbständige Stadt; Landkreis Hameln (seit 1885); selbständiger Stadtkreis (seit 1923); heute: Landkreis Hameln-Pyrmont

Synagogengemeinde im Landrabbinat Hannover.

 
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Gesamteinwohnerzahl / darunter Juden

1689: 2.632 / ?; 1797: ? / 13 Familien; 1845: 6.404 / 86; 1853: ? / 76; 1864: 7.152 / 129; 1884: 10.924 / 131; 1895: 16.509 / 220; 1902: ? / 237; 1913: 22.061 / 210; 1916:? / 210; 1919: 23734 / ?; 1933: 27985 / 136; 1935: ? / 86; 1939: 31863 / 44

 
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Quellen und Literatur

Davis, Natalie Zemon: Mit Gott rechten. Glikl Bas Judah Leib. In dies.: Drei Frauenleben, Berlin 1996, S. 11-78

Eilitz, Peter: Leben und Werk des königl. hannoverschen Baurats Edwin Oppler. In Hannoversche Geschichtsblätter Neue Folge Band 25, Hannover 1971, S. 127-310

Gelderblom, Bernhard: Der jüdische Friedhof in Hameln, Hameln 1988

ders.: Sie waren Bürger der Stadt. Die Geschichte der jüdischen Einwohner Hamelns im Dritten Reich. Ein Gedenkbuch, Hameln 1996

Herr, Johann Daniel Gottlieb: Collectanea zur Geschichte der Stadt Hameln, 1765 (Reprint 1998)

Heutger, Nicolas: Jüdische Spuren in Niedersachsen, Münster 1997

Magin, Christine: Zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Hameln. In: Jahrbuch des Museumsverein Hameln 1997, S. 14-38

Spanuth, Heinrich / Feige, Rudolf / Seifert, Fritz: Geschichte der Stadt Hameln, Hameln 1983

Sprenger, F.: Geschichte der Stadt Hameln, Hannover 1826 (Reprint Hannover 1979)
Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt Hameln 1 (bis 1407) Hannover 1887; 2 (1408-1576) Hannover/Leipzig 1903

Wittkowsky, Johann: Zur Geschichte der Juden in Hameln 1919-1943, Hameln 1990 (Beiträge zur Stadtgeschichte 1919-1949, Band 5)

Weitere Literatur in Gelderblom, Bernhard: Sie waren Bürger der Stadt. Die Geschichte der jüdischen Einwohner Hamelns im Dritten Reich. Ein Gedenkbuch, Hameln 1996.

Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover
Kreisarchiv Hameln-Pyrmont
Stadtarchiv Hameln

 
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