Die Synagoge in Worms
Aus dem Mittelalter hatten sich in Deutschland nur sehr wenige alte Synagogen erhalten, insbesondere Worms und Prag. Diese beiden Bauten, von den Oppler sagt, dass sie "in der Blüte der romanischen Baukunst" (Hammer-Schenk, Opplers Theorie, S. 111) erbaut worden seien, wurden zu seinen Vorbildern.
"Der romanische Stil ist durch und durch deutsch.
Der Rundbogen ist das Sinnbild der Kraft und des Ernstes und der Ruhe.
Darum wähle ich diesen Stil."
(zitiert nach Hammer-Schenk, Opplers Theorie, 106)
Der synagogale Gottesdienst verlangte bestimmte Bauformen
und -funktionen, die Opplers Meinung nach am besten im Stil der Romanik
zu verwirklichen waren.
Die Merkmale der Raumaufteilung einer Synagoge
Der Innenraum einer Synagoge wird fast immer von drei deutlich akzentuierten architektonischen Elementen geprägt, dem Thora-Schrein (hebr.: Aron Hakodesch), dem Almemor (auch Bima) in der Mitte des Synagogenraumes, von dem aus die Männer im Wechsel die Thora vorlesen und den abgetrennten Frauenräumen. Die Merkmale der Raumaufteilung einer Synagoge seien am Beispiel der um 1270 errichteten Prager Altneusynagoge erläutert.
(Quelle Die Prager Judenstadt, S. 110)
Der Stich aus der Zeit um 1880 zeigt die Lage der Altneusynagoge in Prag innerhalb der Judenstadt.
(Quelle Die Prager Judenstadt, S. 110)
Der Grundriss verdeutlicht den zentralen Almemor, den an der Ostwand (oben) befindlichen Thora-Schrein und die durch Mauern abgetrennten umliegenden Frauenräume.
Der zentrale Almemor dient der Thoralesung; im Hintergrund der Thora-Schrein.
Der Thora-Schrein im Osten dient der Aufbewahrung der heiligen Thorarollen; hier bei geöffnetem Vorhang.
Worterläuterungen zum Begriffsfeld Synagoge
Synagoge
Ort der Zusammenkunft zum Gottesdienst
Almemor (auch Bima)
Erhöhter Platz, traditionell in der Mitte des Synagogenraumes, von dem aus die Männer im Wechsel die Thora vorlesen
Thora-Schrein (hebr.: Aron Hakodesch)
Schrank zur Aufnahme der heiligen Thora-Rollen, in Deutschland nach Osten, also nach Jerusalem, ausgerichtet
Frauenräume
vom Männerraum traditionell durch Mauern abgetrennt, die nur eine akustische Teilnahme am Gottesdienst zulassen
Oppler knüpfte in seinen Entwürfen an die Bauform der Prager Synagoge an,
veränderte und modernisierte diese aber gleichzeitig.
-
Der Thora-Schrein behielt seine Funktion und seine Lage im Osten.
-
Der Almemor lag bei der Hannoverschen Synagoge noch in der Mitte, wird aber bei den späteren Synagogenbauten nach Osten rücken und sich zur Kanzel wandeln.
-
Der Synagogenraum war nun durchgehend bestuhlt.
-
Die Frauenräume lagen nicht hinter massiven Sichtblenden, sondern in offenen Emporen.
Aus einer Betstube und einem Ort der Thora-Lesung wurde ein Bau, der von seiner Funktionalität einer evangelischen Kirche glich.
Eigentlich muss die Wahl der Romanik als Baustil für eine Synagoge überraschen, denn als deutscher bzw. germanischer Stil galt damals die Gotik. Oppler war hier aber in einem Dilemma. Die Gotik war als Baustil in einem Maße christlich besetzt, dass ihm ihre Verwendung durch eine jüdische Gemeinde ausgeschlossen schien. Die gotischen Elemente, die an der Synagoge in Hannover noch sichtbar sind, traten bei Oppler zunehmend zurück und er wandte sich ausschließlich der Romanik zu. Die Neoromanik wurde in seinem Gefolge zu dem am stärksten verbreiteten Synagogenbaustil.
In der Wahl seines Stiles offenbart sich Opplers Selbstverständnis als Jude in Deutschland. Wie er sich selbst als Jude und Synagogenbaumeister sieht, beschreibt er folgendermaßen:
"Der Jude des 19. Jahrhunderts will im Staate aufgehen,
mit allen geistigen und materiellen Mitteln kämpft er für das eine Ziel.
Der deutsche Jude will vor allem ein Deutscher sein, er kämpft und leidet
für die Gleichstellung mit seinen christlichen Brüdern, kann und darf er
sich dann durch sein Gotteshaus ohne jeden rituellen Grund isolieren? ...
Bei der Errichtung eines Gotteshauses muss man darnach streben, nächst einem
schönen Bauwerke zugleich ein nationales zu errichten, dieses muss es aber
sein, soll es ein monumentales werden."
(zitiert nach Hammer-Schenk, Opplers Theorie, S. 108)
Oppler war es, der dem Streben der deutschen Juden nach Anerkennung als Deutsche, nach Assimilation, die entsprechende bauliche Gestaltung gab. Er wollte in seinem Synagogenbau keine eigene Architektur ausprägen, die das Aufgehen der Juden im deutschen Staat hätte behindern können, sondern er hat sich bewusst an christlichen Formen orientiert.
In seinem unbedingten Willen zur Assimilation übersah Oppler, dass es gerade in der Zeit der Romanik zu den großen Vertreibungen der Juden im Zusammenhang der Kreuzzüge gekommen war. Er verklärte aber auch seine Gegenwart. Bereits in den 1870er Jahren erhob der Antisemitismus in Deutschland erneut sein Haupt und nahm rassistische Züge an.
Über Opplers Schaffen liegt eine besondere Tragik, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass keines der von ihm geschaffenen Synagogengebäude das Dritte Reich überdauert hat. Der einzige von Oppler geschaffene sakrale Bau, der heute noch erhalten ist, ist die Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof Strangriede in Hannover.
Die von Oppler entworfene Trauerhalle auf dem Friedhof An der
Strangriede in Hannover