In Remagen
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand die Synagoge
der kleinen jüdischen Gemeinde von Remagen. Sie wurde mit Unterstützung
der Zivilgemeinde zwischen 1855 und 1869 errichtet, in der sogenannten "Kristallnacht"
am 9. November 1938 brannte sie ab.
Die Inschriften aus dieser Zeit reduzieren das Geschehene auf das existentiell Allgemeine, auf Krieg und Tod. Nichts weist darauf hin, dass es sich um mörderische Gewalt und um gemordete Opfer handelt. Zwei Jahreszahlen (1933-1945) deuten bisweilen verhüllend das Geschehen an. Es sind "Gedenkstein ohne Gedächtnis", es sind Texte nicht zur Erinnerung, sondern um die Erinnerung zu zähmen.
Die Texte entstammen einer Zeit, als die Verdrängung der Verbrechen des Dritten Reiches noch die Regel war. Eichmann-Prozess (1961) und Auschwitz-Prozess (1963-1965) brachten eine Menge grauenhafter Details ans Licht und verstärkten aber zunächst das Verdrängungsinteresse.
In die Reihe dieser Texte gehört auch die Hamelner Inschrift aus dem Jahre 1963.
Menschen verstummen – Steine reden immer.
Zum Gedenken
an den Untergang der jüdischen Gemeinde Hameln in den Jahren 1933-1945.
In dieser Inschrift ist nichts beim Namen genannt und alles bleibt offen. Was geschah damals? Durch wen? An wem? Der unkundige Leser erfährt auch nicht, dass er am Ort der zerstörten Synagoge steht.
Zugunsten der Inschrift ist aber auf Folgendes hinzuweisen. Der Text bezieht sich möglicherweise auf eine Bibelstelle. Lukas 19,40 spricht Jesus von seinen Jüngern:
"Wo diese schweigen, werden die Steine schreien."
Wenn Menschen schweigen, werden Steine schreien. Das ist ohne Zweifel eine Aussage, die dem schrecklichen Geschehen, dessen hier gedacht wird, in besonderer Weise angemessen ist.
© Bernhard Gelderblom Hameln